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12 Tage & 23 Stunden Meer - Von Ponta Delgada nach Bologne sur Mer

Blogbeitrag von Christoph:



Wie fange ich einen Blog, über eine so lange Zeit auf See an?

...


Soll ich einzelne Tage beschreiben?

Der Reihenfolge nach? 

Oder vielleicht nach einzelnen Erlebnissen?




Oder vielleicht so:


Am Freitag abend, den 04.06.2021, landete mein Flieger in Ponta Delgada. Ein netter Abend in dem kleinen Cafe, das ich bei meiner Ankunft vier Wochen vorher vom Quarantänesteg zwei Tage lang bewundern durfte ohne dass ich hinkam, folgt. 

Am Quarantänesteg lag übrigens Helena mit ihrer Freedom einer Halberg 31. 

Ich folge ihr seit einiger Zeit auf instagram #fredom2be, nach ihrer 30 tägigen Reise zurück von Martinique.


Samstag ist dann erstmal einkaufen und verproviantieren angesagt und dann gab es noch ein leckeres Abendessen in einem Restaurant am Hafen… 


Noch einmal ein echtes Steak vor der langen Reise. Ein netter Abend an Bord folgte und ich hatte noch kurz bei einem Gespräch Zeit, mich mit Helena über ihre Reise und diverse andere Dinge (das Hochseesegeln betreffend) auszutauschen. 


Ich hoffe, sie schafft den Sprung in die Offshore Regattaszene. 

Ich wünsche es Ihr. 



Sonntag brachte Sven  Diana zum Flieger und dann bereiteten wir das Schiff final auf die Reise Richtung Festland "Europa" vor. 


Gegen 13.00 Uhr machten wir die Leinen los. Alles wurde aufgeklart und gestaut, die Segel gingen noch im geschützten Vorhafen von Ponta Delgada hoch und das "Abenteuer Atlantik" oder "Wir und der Willy", konnte beginnen. 


Bis zur Ostspitze von Sao Miguel war der Wind uns noch hold, zwei riesige graue Delphine nahmen Kurs auf uns und setzten zu einem super hohen Synchronsprung vor unserem Bug an. So etwas beeindruckendes hatten wir die ganze Reise noch nicht gesehen. 


Insbesondere nicht solch große Tiere! 


Nach dem Eintauchen ins Wasser, so als Abschied von den Azoren, wünschten Sie uns eine gute Reise und verschwanden dann wieder in den Weiten des Atlantiks. Wir waren wieder unter uns. 


Die Insel mit ihren Bergen nahm uns den restlichen Wind und zum ersten Mal auf dieser Etappe ging der Motor an. 


Fast jeden Abend leuchtete das Meeresleuchten in dem planktonhaltigen Atlantikwasser. Das Kielwasser des Schiffes war richtig hell und immer wieder sahen wir nachts die grünen Leuchtspuren der beinah unzähligen Delfine. 

Sie kamen und gingen, wie es ihnen gefiel, bei Tag und Nacht.



Und dann war da noch ein Erlebnis, aus dem Seemannsgarn gesponnen wird:

Dunkele Nacht, keine Sterne, die Delfine, die kurz zuvor noch ihre grünen Spuren gezogen hatte waren weg, immer noch Meeresleuchten um dass Schiff und dann… während meiner Nachtwache näherte sich ein riesiger grüner Schatten von achtern dem Boot. Erst hielt er sich steuerbord hinter uns, dann wechselte er nach Backbord, als wollte er sich uns zurechtlegen… 


Plötzlich schloss der Schatten bis Mitschiffs auf und hielt sich bei gleicher Geschwindigkeit so auf 150 bis 300ft (Fuss=0,3m) neben dem Schiff. Dann drehte er und kam mit Schwung genau mittig auf unser Schiff zu, ich hielt die Luft an und mich selbst fest..


..dann war der grüne Schatten unter uns durch und positionierte sich auf der anderen Seite des Schiffes weiter mit gleicher Geschwindigkeit. 

Beim Wachwechsel hatte ich eben noch das Glück, den Schatten Sven zu zeigen, andernfalls wäre die Geschichte jetzt schon totales Seemannsgarn. 


Aber was war es? 


Ein riesiger Wal, eine Unterseekrake die bei Nacht und Meeresleuchten nach oben kommt und ihre Beute sucht…. Ich höre jetzt auf zu spekulieren, das mit der Fantasie ist so eine Sache…!




Danach war wieder Ruhe eingekehrt und segeln angesagt. Bis Donnerstag am Ende meiner Mittagswache.

 

Es knallte.


Das Vorsegel rauschte herab und landete im Wasser. Nur am Boot gehalten durch Hals und Schot! Der Rest des Segels war vollständig im Wasser gelandet und hatte sich um unseren Kiel gewickelt. Es war so einfach nicht aus dem Wasser zu bekommen. 


Der erste Gedanke war:


"Das Fockfall (Tau mit dem das Segel den Mast hochgezogen wird) ist gebrochen!"


Wir änderten den Kurs, ließen den Willy treiben und zogen das Segel aus dem Wasser. 


Dann wurde klar:


Das Fall war noch heile, hing aber mit dem oberen Wirbel der Rollanlage für das Vorsegel oben im Mast. 

Gerissen war der Kopf des Segels - 

Die Aufhängung, mit der es den Mast hochgezogen wird.


Aber das Fall und der Wirbel mussten von oben wieder runtergeholt werden, anders würde es schwierig, so mitten auf dem Atlantik.

Also, Großsegel bergen, Klettergeschirr geholt und dann wurde Sven kurzer Hand von mir in den Mast hochgezogen. 

Er packte den Wirbel und kurze Zeit später war dieses Problem gelöst, der Wirbel unten und Sven wieder heile an Deck. 


Aber da war noch der Vorsegelkopf.

Der musste repariert werden, sprich genäht werden und das bei unseren Nähkünsten… 


Aber es hat geklappt. 

Nach mehreren Stunden anstrengenden Nähens hatte Sven (super Job) es geschafft die Schlaufe so zu nähen, dass es bis Boulogne Sur Mer gehalten hat, und nach unserer Kontrolle dort wohl auch bis zum Ende der Reise halten wird. Dann war wieder ruhe und segeln angesagt. 

Flaute und Wind wechselten sich, genau so wie die Delfine, ab und es gab außer dass Sonne und Sterne sich bedeckt hielten, keine weiteren besonderen Vorkommnisse. 


Kurz vor erreichen des Verkehrstrennungsgebietes, bekamen wir noch Besuch von einer kleinen Schwalbe. Wir bargen (mangels Wind) das Großsegel und die Schwalbe fand Unterschlupf für die Nacht in einer der Falten des Segels. 

Ebenso bekam sie Süßwasser und etwas Brot von uns. Am nächsten Morgen bedankte sich die Schwalbe mit einer kleinen Runde um unser Schiff und flog davon.

Wir waren wieder unter uns. 


Wir näherten uns Frankreich und uns war eigentlich klar, das wir mit dem wenigen Rest Diesel, ca. 40l im Tank und noch 10l im Kanister den wir noch an Bord hatten, nicht bis Calais weiter fahren würden. 

Als wir in der Nacht das Verkehrstrennungsgebiet bei Brest hinter uns gebracht hatten, (so viele Frachter auf dem Weg von Suezkanal nach Rotterdam/Hamburg und zurück war fast ein Kulturschock für uns…), beschlossen wir für einen Tankstop, "Roscoff" in der Bretagne anzulaufen.

Sven kannte die Ansteuerung des Hafens schon von der Hinreise. 

Dort eingelaufen bunkerten wir eben 200l Diesel und waren direkt wieder auf See Richtung Cherbourg oder Boulogne Sur Mer. 


Auf dem Weg von Roscoff kam uns ein Küstenwachboot entgegen, wir dachten uns nichts dabei und weiter ging es, aber…


Mittlerweile war es kalt und regnete immer wieder, mal super heftig mal nur Nieselregen. Schon seit längerem waren draußen wieder lange Unterhosen, Ölzeug und Stiefel angesagt. 


Es war ja auch bald Sommeranfang und Deutschland stöhnte unter 30° wie wir wussten. Auf den letzten Meilen ging es dann noch einmal hoch her!


Sven weckte mich während meiner letzten Freiwache mit den Worten: 


"Steh auf, der Zoll hat gerade per Funk seinen Besuch angekündigt." 


Sie kamen dann auch direkt mit drei Mann bei uns an Bord. Während der Chef sich mit Sven im Cockpit über Schiffsdaten, Papiere und die Stationen der Reise des Willys austauschte, ging ich mit den anderen Beiden unter Deck. 


Sie stellten den "Schmuggelwilly" beinahe sprichwörtlich auf den Kopf und ließen, (wie man so sagt) beinah keinen Stein auf dem Anderen. 

Gefunden wurde natürlich nichts und nach etwa einer Stunde war der Spuk vorbei, sie gingen mit einem netten Gruß von Bord, sprangen in ihr Schlauchboot und ließen uns mit dem Chaos unter Deck zurück. 


Abschließend noch ein kleines Highlight dieser Kontrolle: 


Wir waren mit zwei Männern an Bord - Vater und Sohn eben. 

Aber achtern, in der Koje bei Sven, fand man zuhauf Damenkleidung/Wäsche…


Wir haben natürlich versucht das aufzuklären, ich hoffe sie haben es verstanden.


Dann noch 2 Std. unter Motor und Boulogne Sur Mer war erreicht.





12 Tage & 23 Stunden nach ablegen in Ponta Delgada. 


Wir Hatten es geschafft. 


Mal schauen wie die Reise weitergeht.


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Kommentare: 1
  • #1

    Olf (Sonntag, 27 Juni 2021 12:44)

    Toller Bericht. Schön das alles gut geklappt hat. Weiter gute Fahrt.